bochum macht spaß
Foto: Heinrich Brinkmöller-Becker

Heinrich Brinkmöller-Becker | Fotograf aus Leidenschaft

Interview mit dem Jazz-Fotografen

Text:

Oliver Bartkowski

Fotos:

Heinrich Brinkmöller-Becker

Fotografen gibt es Dank digitaler Technik mittlerweile Millionen, doch nur die wenigsten haben ein gutes Auge und stechen mit ihrer Arbeit aus der Masse hervor. Vor allem Jazzmusiker, Theater und Tanz sind beliebt und stellen den Fotografen vor eine große Herausforderung. Ständig eine sich bewegende Szene, wechselndes Licht und viele weitere Faktoren müssen beachtet und in Sekundenschnelle bewertet werden. Einer der es kann ist der Bochumer Heinrich Brinkmöller-Becker, welcher sich in Bochum und in der Region mittlerweile einen entsprechenden Namen erarbeitet hat. Wir sprachen mit ihm über seine Arbeit.

Herr Brinkmöller-Becker, erzählen Sie uns doch kurz Ihren Werdegang.
Ich bin vom Sternkreis her Zwilling, da verwundert es vielleicht nicht allzu sehr, dass ich mehrere Seelen in meiner Brust habe. Ich bin ausgebildeter Philologe, habe in Medienwissenschaften promoviert, habe als Pädagoge in der schulischen Erwachsenenbildung gearbeitet, zuletzt 23 Jahre als Schulleiter an den Abendgymnasien in Gronau und Köln, die letzten 11 Jahre am Ottilie-Schoenewald-Weiterbildungskolleg in Bochum. Darüber hinaus habe ich auch verschiedene andere Dinge gemacht: Eine Ausstellung zum Kino nahm 1988 im Kunstmuseum Bochum seinen Anfang, um in 16 weiteren Städten gezeigt zu werden. Acht Jahre hatte ich einen Lehrauftrag am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, habe am Weiterbildungskolleg eine Reihe von Ausstellungen
kuratiert und habe selber an unterschiedlichen Orten meine Fotografien ausgestellt. Seit meinem Ausscheiden aus dem Dienst vor fast drei Jahren widme ich mich neben der Tätigkeit als Jazzredakteur ganz der Fotografie.

Wann haben Sie Ihre musikalische Ader für den Jazz entdeckt?
Das kann ich gar nicht genau sagen, es fing sicherlich während des Studiums zaghaft an, weil mir Dylan und die Stones auf Dauer dann doch zu eintönig  wurden…Warum wurde Ihnen der Rock zu langweilig? In den 60-er und 70-er Jahren gab es doch massig Rockbands, die bis heute einen legendären Ruf besitzen.
Ich habe Rock und Jazz nie unbedingt als Gegensatz begriffen. Beide Richtungen haben gemeinsame Wurzeln, wenn man z.B. an den Blues denkt, bei beiden gibt es interessante und langweilige Varianten, von Überschneidungen ganz zu schweigen. Der Jazz ist sicherlich häufig ambitionierter und von den musikalischen Ebenen her komplexer. Das reizte mich. Im übrigen unterscheide ich lieber nach interessanter und weniger interessanter und völlig uninteressanter Musik, das geht dann durch alle „Lager“, ob im Jazz, im Rock oder in der Klassik. Bis Mitte der 70-er Jahre war der Jazz noch groß, danach ging es rasant bergab. Bis heute macht sich das in geringen Verkaufszahlen von Schallplatten und verkauften Konzerttickets bemerkbar. Wenn kein großes Festival stattfindet oder namhafte Künstler kommen, ist die Nachfrage gering. Gerade unbekanntere, aber trotzdem gut ausgebildete Musiker leiden darunter.

Ist Jazz einfach zu intellektuell und kompliziert für ein Massen- oder ein großes Publikum?
Das ist schwer zu sagen, man müsste das Publikum danach befragen, wie sich sein Geschmack ausbildet, wonach er sich richtet. An den Zahlen der Konzertbesucher und verkauften Alben gemessen stimmt die Einschätzung auf jeden Fall. Meine Erfahrung ist, dass für viele das Label „Jazz“ abschreckend
wirkt, dass man deutlich mehr Zuhörer ohne das Etikett gewinnen kann, weil gute Musik sich durchsetzt und ankommt. Dafür braucht man entsprechende Anlässe, dafür braucht man auch eine Bereitschaft, ein „offenes Ohr“.

Sie sind ja in den letzten Jahren als Fotograf sehr aktiv, Ihre Bilder sind beeindruckend, vor allem Ihre Theater- und Musikeraufnahmen. Wann haben Sie angefangen zu fotografieren und wie kommen Sie gerade auf Theater- und Musikeraufnahmen?
Als Medienwissenschaftler ist man naturgemäß am Bild interessiert, Film und Fernsehen sind ja bekanntlich Weiterentwicklungen der Fotografie. So ist bei mir allmählich aus einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit Film, mit der Frühgeschichte des Films und der Fotografie und einem hobbymäßigen Fotografieren ein ernsthafteres Interesse an dem Medium entstanden. Dass gerade Jazz und Theater dabei besonders im Vordergrund stehen, hatte wahrscheinlich den banalen Grund, dass ich mich für Beides auch so interessiere. Was liegt da näher, als beim Besuch von Konzerten oder Inszenierungen mit der Kamera dabei zu sein?

Wonach suchen Sie Ihre Themen, sprich Künstler aus?
Das ist unterschiedlich. Zu Jazzkonzerten gehe ich häufig in doppelter Funktion: Für das Internet-Portal www.nrwjazz.net bespreche ich Konzerte und mache dazu Fotos. Während diese eher eine dokumentarische Funktion haben, nehme ich bestimmte Fotos mit besonderer Ausdruckskraft heraus, bearbeite sie, setze sie auf meine Homepage und wähle sie für bestimmte Ausstellungen aus. Dieses Vorgehen ist dann eher künstlerisch motiviert. Bei Tanz und Theater arbeite ich ähnlich. Andere Projekte entwickeln sich aus dem Zufall heraus, wenn sie sich für eine Foto-Reihe besonders eignen, wie zum Beispiel die Dokumentation eines Musikprojektes mit Flüchtlingen oder Bilder von Weinstöcken, die an menschliche oder tierische Gesichter erinnern...

Irgendwie ist ja auch im Jazz schon jeder einmal auf die ein oder andere Art fotografiert worden. Kann man noch gezielt Akzente setzen oder spielt der Zufall im Moment eine große Rolle? Den Zufall vorwegzunehmen, die Umstände und Möglichkeit zu erkennen und dann im entscheidenden Augenblick auf den Auslöser zu drücken, das ist die eigentliche Kunst. Eine eigene Handschrift zu entwickeln wird angesichts der alltäglichen Bilderflut immer schwieriger und deshalb auch dringlicher. Ich versuche einen eigenen Akzent zu setzen, indem ich in Sequenzen arbeite. Ich begnüge mich nicht mit einem Einzelbild, sondern montiere mehrere Bilder zu einer Sequenz, so kann man besser einen Ablauf oder bestimmte unterschiedliche Ausdrucksformen darstellen. Das Format kommt gut an und beeindruckt die Leute, weil es filmähnlich arbeitet, aber trotzdem die Konzentration auf das Foto zulässt. Ich habe dieses Verfahren im letzten Jahr erweitert. Es geht um die Reihe „Kuppeln“ im Bochumer Planetarium. Hierbei werden meine Sequenzen auf die Kuppel des Planetariums projiziert, vier Bilder bauen sich zu einer Sequenz auf, die nächste Sequenz wird in animierter Form vorbereitet usw. Das hat mehrere Vorteile: Die Bilder sind riesengroß und deshalb sehr wirkungsvoll, die Möglichkeit zu animieren ist gegeben und ich arbeite dabei mit Musik. Die Resonanz auf die Vorstellung mit Bildern von der Ballettoper „Charlotte Salomon“ war so groß, dass sie wiederholt wurde. In diesem Jahr sind drei Vorstellungen mit völlig unterschiedlichen Themen geplant.

Vielen Dank für das Interview.

Fotos von Heinrich Brinkmöller-Becker sind außerdem
zu sehen:

www.jazzfoto.eu

www.theater-foto.de

www.fotobrinkbeck.de

www.nrwjazz.net