ANTHONY LOSILLA | EIN TRAUM VOM KLASSENERHALT IM AUSVERKAUFTEN RUHRSTADION
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Interview: David Wienand

Foto: VfL Bochum

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Was für ein erfreulicher „Rückfall“ in die guten alten Zeiten des Rock‘n Roll! Damals, als Musiker und Bands noch alle zwölf Monate mit neuen Songs auf neuem Album ihre Fans erfreuten und nicht monate- bis jahrelang in sich gingen, psychologische Unterstützung einholten oder einfach lustlos waren. Unser Bochumer Heavy-Metal-Urgestein Axel Rudi Pell lässt dieses goldene Zeitalter des Rocks wieder aufleben, denn nach »Sign Of The Times« und »Diamonds Unlocked II« folgt in diesen Tagen mit »Lost XXIII« sein drittes Album mit neuen Songs in drei Jahren (weil nämlich auch die »Diamonds Unlocked II«-Stücke frisch und leidenschaftlich eingespielte Versionen von Song-Favoriten und keine Resteverwertung in kargen Zeiten sind). Was den Mann zu derartigen starken Aktivitäten antreibt – im 33. (!) Jahr seiner Solo-Karriere nach der Auflösung seiner ehemaligen Band Steeler und genauso vielen bei seinem Label Steamhammer – und was es sonst noch mit »Lost XXIII« und den zehn Songs des 21. Studioalbums auf sich hat, erzählt Axel Rudi Pell im Gespräch mit Bochum macht Spaß.

Drei Studioalben in drei Jahren. Wie in den goldenen Zeiten des Rock. So hat die Pandemie für die Fans und dich als Musiker auch etwas Gutes? Oder gibt es andere Gründe für diesen immensen Output?
Lediglich das Cover-Album »Diamonds Unlocked II« ist das Resultat der Auszeit durch Corona gewesen. Da hatten wir nichts zu tun, und die Plattenfirma kam auf die Idee einer Fortsetzung unserer ersten Scheibe mit Coverversionen. Dabei lief die damals gar nicht so gut. Die zweite kam dagegen wesentlich besser an. »Lost XXIII« ist exakt für dieses Jahr geplant gewesen, und wir hätten das Album mit oder ohne Corona genau jetzt veröffentlicht.

Wirst du das 21. Studioalbum deiner Karriere, so eine Art von Großjährigkeitsalbum also, besonders feiern?
Das sind doch alles nur Zahlen. Obwohl: 33 Jahre als Solo- Musiker und 33 Jahre bei Steamhammer – das sind schon interessante Schnapszahlen, und Schnaps hört sich gut an.

Dein neues Album trägt den Titel »Lost XXIII«. Was hat es damit auf sich?
Klingt nach einem Konzeptalbum. Also, die römische Zahl XXIII steht für den 23. Buchstaben im Alphabet und der ist das „W“. Der Buchstabe „W“ steht für „World“ und somit ist der Albumtitel als »Lost World« zu lesen. Der Titel und viele der Songs auf dem Album nehmen Bezug auf die vielen beunruhigenden Dinge, der derzeit in der Welt passieren: die Pandemie, der Russland-Ukraine- Konflikt, die Klimakrise, das Taliban-Regime in Afghanistan, Obdachlosigkeit, Drogenabhängigkeit... man weiß gar nicht mehr, wer und wo der Feind überall ist. „Who’s the enemy?“, ist ja dann auch die Frage, die ich in dem Titelsong stelle.

Du greifst in vielen Belangen immer wieder auf bewährte Kräfte zurück, sei es bei den Musikern deiner Band, beim Label Steamhammer, beim Cover-Designer Thomas Ewerhard, der an die Stelle deines ebenfalls langjährigen und leider verstorbenen Cover-Designers Dirk Illing getreten ist, und oft auch beim Studio und den Produzenten. Ein vertrautes Umfeld scheint für dich und deine Arbeit von großer Bedeutung zu sein.
Das trifft voll und ganz zu. Ich weiß es zu schätzen, wenn die Chemie stimmt zwischen den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Jeder kann sich auf jeden verlassen und jeder weiß auch, was der andere kann.

Auch deiner Heimatstadt Bochum hast du ja über alle Jahre hinweg die Treue gehalten. Welche Bedeutung hat sie für dich persönlich und dein Schaffen?
Also, ein Umzug in eine andere Stadt kam für mich nie in Frage. Ich liebe Bochum. Klar, auch andere Städte haben ihre Reize und ich besuche sie gerne. Hamburg mag ich sehr, München auch ein bisschen. Oder New York. Aber Bochum finde ich geil. Der Schlag Menschen und deren Charme. Das findest du nirgendwo anders auf der Welt. Und als Krönung spielt unser VfL derzeit auch noch einen super Fußball. Ich denke, der VfL wird am Saisonende auf jeden Fall unter den ersten zehn Mannschaften der Liga landen. Davon bin ich fest überzeugt. Und in Thomas Reis haben sie auch den besten Trainer, den sie kriegen können!

Als Bonus-Track auf der Digipak-Version des Albums befindet sich die Nummer „Quarantined 1“. Worum es im Groben darin geht, verrät ja schon der Titel, aber erzähle doch mal mehr darüber. Besonders über die „1“ hinter der Quarantäne.
Den Song habe ich 2020 geschrieben, ganz allein bei mir zu Hause eingespielt und dann auf YouTube veröffentlicht. Den Fans hat er so gut gefallen, dass ich gedrängt wurde, ihn auf das Album zu nehmen. Die „1“ bedeutet, dass, je nachdem, wie es mit Corona weitergeht, da durchaus noch eine Fortsetzung folgen könnte.

Wenn es denn tatsächlich zu den zwei Heimspiel-Shows in der Bochumer Zeche am 7. und 25. September kommt, wird es dir sicherlich sehr schwerfallen, die Set-List der Songs zusammenzustellen. Immerhin hast du die Stücke von drei Alben ja noch nie live gespielt, und dann sind da ja auch noch die Songs, die die Fans immer und immer wieder hören wollen. Wie willst du dieses Problem angehen?
Gute Frage. Wir müssten stundenlang spielen, denn es gibt da ja auch noch die Fans, die uns andauernd beschwören und die Lieder hören wollen, die wir selten oder noch nie live gespielt haben. Irgendwie werden wir das Problem lösen müssen und hoffen, dass dann alle zufrieden damit sein werden.