DAVID STALLING
Foto: David Stalling

Interview: Oliver Bartkowski

Foto: David Stalling

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David, du bist ein Bochumer Junge und lebst seit vielen Jahren in Irland. Wie kam es denn zu diesem Umzug und seit wann lebst du in diesem wunderbaren Land?
In das grüne Irland hat mich ein glücklicher Zufall gebracht. Nach meinem Zivildienst hatte ich an der Uni Wuppertal ein Studium angefangen. Ein Erasmus-Stipendium ermöglichte mir dann einen Auslandsaufenthalt, zunächst für ein Jahr. Das Leben auf der Insel gefiel mir so gut, dass ich gleich dortgeblieben bin und mich entschied, weiter Musik zu studieren. Das eine hat dann zum anderen geführt. Ich habe sehr viele liebe Menschen kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Das ist mittlerweile über 25 Jahre her und ich habe es nie bereut.

Du hast an der Maynooth University Komposition studiert. Was für Erfahrungen hast du dort ge-sammelt und wie viel davon macht sich in deinen heutigen Klangkompositionen davon bemerkbar?
Maynooth University liegt ca. 30km außerhalb Dublins, hat in Irland einen sehr guten Ruf, und meine Zeit dort hat mir damals unheimlichen Spaß gemacht. Es gab viele Gelegenheiten, schon während des Studiums musikalisch aktiv zu werden. Ich habe im Kammerchor mitgesungen, später auch zwei Jahre lang dessen Leitung übernommen. Außerdem gründeten wir ein Ensemble für Neue Musik mit dem wir regelmäßig unsere eigenen Kompositionen zur Aufführung brachten. Es gab außerdem ein gut eingerichtetes Elektronik Studio, in dem ich sehr viel Zeit verbrachte, und einen regen Austausch mit meinen Kollegen - ein guter Nährboden für kreative Arbeit. Unter diesen Voraussetzungen habe ich die ersten Stücke gemacht, in denen ich Naturaufnahmen mit instrumentalen und elektronischen Klängen verbunden habe. Dieses Zusammenspiel von natürlichen und künstlichen Klängen hat mich schon seit meiner Kindheit fasziniert.

Du hast schon mit zahlreichen Klanginstallationen und Improvisationen für Aufmerksamkeit gesorgt. Dein neues Album heißt „Elemental Machinery“ und es verbindet die Geräusche des Weltraumobservatoriums auf dem Berg Izana im Nationalpark El Teide auf Teneriffa mit Klängen von Saiteninstrumenten und Elektronik zu wunderbaren Soundlanschaften die ich so noch nicht gehört habe. Das alles klingt sehr ausgewogen und nachhaltig. Wie bist du an dieses Projekt herangegangen und was ist die Intention?
Mein Interesse an den Verbindungen zwischen Kunst und Wissenschaft bildet seit fast 10 Jahren einen Schwerpunkt in meiner Arbeit. So habe ich mehrfach als Artist-in- Residence mit Wissenschaftlern zusammengearbeitet, letztens z.B. mit einem Team von Seismologen am Dublin Institute for Advanced Studies um Erdschwingungen und andere seismische Vorgänge für den Menschen hörbar zu machen und musikalisch zu verarbeiten (siehe www. soundsoftheearth.ie). “Elemental Machinery” wiederum entstand aus dem Zauber, den diese Teleskope auf mich ausgeübt haben. Wissenschaftliche Maschinen zur Beobachtung der Peripherie unserer wahrnehmbaren Welt mit den eleganten und präzisen Bewegungen technischer Objekte. Ich fragte mich, ob diese Maschinen denn über ihre übliche Funktion hinaus vielleicht auch eine musikalische Bedeutung haben. Über einen Zeitraum von 2-3 Jahren habe ich mich dann sehr intensiv mit den Klangaufnahmen des Observatoriums befasst. Da ging es um wiederholtes Hören und sorgfältiges Auswählen des Materials, und anschließend, um die Aufgabe diese Klänge mit musikalischen Elementen zu verschmelzen. Letztendlich wollte ich mit der Spannung zwischen Geräusch und Musik spielen, in der die Grenze des Unterscheidbaren an Schärfe verliert und zeitweise verschwimmt.

Das Album gibt es als Vinyl und CD und mir gefällt die bemerkenswerte Soundqualität. Gleich die erste Nummer „Cupula“ enthält interessante Verbindungen. Täusche ich mich, oder hören wir zu Beginn des Stückes die Bewegung einer Satellitenschüssel?
In Cupula hören wir die Mechanik des IAC-80 Teleskopes bei der Arbeit: das Surren der Motoren, die die Maschinerie in die korrekten Positionen bringen; das Rumpeln des drehbaren Kuppeldachs; das Summen der Trafos und das Rauschen der Kühlanlagen. In der ersten Nacht war die Kuppel wegen schlechten Wetters geschlossen und es gab einen plötzlichen Hagelschauer, dessen Geräusch ich am Ende des Stücks mit eingebaut habe.

War es schwierig die Leitung der Teide-Sternwarte für eine Zusammenarbeit zu überzeugen?
Nein, die waren sogar begeistert. Meine Reise wurde 2017 auf Einladung des Instituts für Astrophysik am University College Dublin (UCD) organisiert. Die Gruppe unter der Leitung von Professor Antonio Martin-Carillo - welcher übrigens auch das wunderbare Astrofoto für mein Album Cover beisteuerte - hat mich einfach auf ihre Forschungsfahrt mitgenommen und mir erlaubt, ihnen bei der Arbeit über die Schulter zu lauschen. 2014-15 war ich ein Teilnehmer des UCD Art-in-Science Programms gewesen, dank der unermüdlichen Arbeit von dessen Leiterin Emer O Boyle, und hatte dadurch die nötigen Kontakte geknüpft. Solches Zusammenarbeiten braucht immer einige Zeit, manchmal sogar mehrere Jahre - künstlerische Ergebnisse kann man ja nicht forcieren.

Apropos Sternwarte. Wir haben in Bochum-Sundern eine Sternwarte von Weltruf. Ich vermute mal, dass du mit dem Leiter Thilo Elsner in Kontakt stehst?
Die Bochumer Sternwarte kenne ich schon seit meiner Kindheit. Herrn Elsner habe ich allerdings noch nicht persönlich kennenlernen können. Vielleicht ergibt sich ja eine Gelegenheit, wenn ich mal wieder in Bochum bin!

Für deine Klangkompositionen wäre das Planetarium ein geradezu perfekter Ort. Deine Klangkompositionen in Verbindung mit den beeindruckenden Sternbildern würden das Publikum begeistern. Hast du daran schon einmal gedacht?
Das wäre traumhaft! Da setzt du mir Ideen in den Kopf... Das Projekt war schon von Anfang an für eine Mehrkanalvertonung angelegt, um ein Publikum richtig in die Klänge einhüllen zu können. Das Planetarium wäre dafür wie geschaffen. Ich bin für Vorschläge offen!

Und jetzt mal abschließend zu Bochum. Wie oft bist du noch in Bochum und was schätzt du besonders an unserer Stadt?
Ich komme momentan ein- bis zweimal im Jahr in meine alte Heimat, immer wieder gerne und eigentlich nicht oft genug. Ich habe noch Familie dort und einige Freunde und Kollegen. Bochum war für mich immer das Herz des Ruhrgebiets, und ich finde es toll, dass die Stadt trotz den markanten Veränderungen der letzten Jahrzehnte doch nicht seinen ursprünglichen Charme und Charakter verloren hat.